- Volksrepublik China: Mao Tse-tung, Unterwerfung Tibets
- Volksrepublik China: Mao Tse-tung, Unterwerfung TibetsAm 1. Oktober 1949 verkündete Mao Zedong die Errichtung der Volksrepublik China mit Peking als Hauptstadt. Eine neue Verfassung trat 1954 in Kraft. Die kommunistische Führung erklärte die Umgestaltung von einem Agrarstaat in einen modernen Industriestaat zu ihrem wichtigsten Ziel. Der Sozialismus wurde von den chinesischen Kommunisten für die erfolgreichste Methode auf diesem Weg angesehen. Nach sowjetischem Vorbild begann sogleich eine Umgestaltung der Besitzverhältnisse auf dem Lande. Ziel der Bodenreform war eine ausgeglichenere Verteilung des Bodens zugunsten der »Armen und unteren Mittelbauern«. Die bis dahin grundbesitzende Klasse wurde enteignet und teilweise auch liquidiert. Die Anzahl der Opfer wird auf fünf Millionen geschätzt.Mit einer Kampagne zur Bildung halbsozialistischer Produktionsgenossenschaften erfolgte 1953 ein weiterer Schritt zur Beseitigung der privaten Landwirtschaft, die 1957 durch forcierte Zwangskollektivierung nahezu völlig verschwand. Auch bei der Verstaatlichung der Industrie lehnte sich die kommunistische Führung Chinas an das sowjetische Vorbild an. Gesamtwirtschaftlich bedeutete dies den vorrangigen Aufbau der Schwerindustrie vor Leichtindustrie und Landwirtschaft.Ab 1958 entfernte sich Mao Zedong durch eine Politik der Massenmobilisierung (»Großer Sprung vorwärts«) und durch die totale Kollektivierung der Landwirtschaft (»Volkskommunen«) von sowjetischen Vorstellungen über den Aufbau des Sozialismus. Dies war sowohl Ausdruck chinesischer Eigenständigkeit und Zurückweisung sowjetischer Bevormundung als auch eine Manifestation der revolutionären Utopie Mao Zedongs von einer egalitären Gesellschaft. Die Partei- und Staatsbeziehungen zwischen den beiden mächtigen kommunistischen Nachbarn verschlechterten sich rapide bis zu offener Feindseligkeit. Der chinesisch-sowjetische Vertrag über Freundschaft und gegenseitigen Beistand vom Februar 1950 hatte ab Anfang der Sechzigerjahre seine Bedeutung verloren. Der Bruch zwischen China und der Sowjetunion, der 1969 sogar zu militärischen Grenzkonflikten führte, blieb nicht ohne Folgen für den Weltkommunismus.Eine der ersten innenpolitischen Aufgaben, der sich die neue Führung Chinas 1949 gegenübersah, war die Errichtung einer effektiven Kontrolle durch die KP und ihre Organe, um ihren Machtanspruch bis in die entlegensten Landesteile durchzusetzen und zu festigen. Auch Tibet, das schon die Republik China seit ihrer Gründung als Teil des Reiches beansprucht hatte, war Objekt dieser Politik. Im Oktober 1950 marschierten etwa 40 000 Mann der kommunistischen Volksbefreiungsarmee (VBA) in Tibet ein, um es zu »befreien«. Bereits Ende 1949 hatte die Regierung in Lhasa vergeblich Großbritannien und die USA gebeten, die Aufnahme des Himalaya-Staates in die UN zu unterstützen. Auch andere Bemühungen, eine chinesische Annexion abzuwenden, scheiterten.Mit militärischem Druck erzwang die Regierung in Peking am 23. Mai 1951 die tibetische Unterschrift unter ein 17-Punkte-Abkommen, mit dem Tibet den chinesischen Herrschaftsanspruch anerkannte. China stützte seinen Anspruch auf historische Argumente, nach denen Tibet spätestens seit der Yüan-Dynastie im 13. Jahrhundert zu China gehört habe. Es ist jedoch nachweisbar, dass Tibet trotz wechselnder Beziehungen zum chinesischen Nachbarn bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts unabhängig war.Die Unterwerfung Tibets durch die VBA führte wiederholt zu schweren Unruhen in der Bevölkerung. Im Zusammenhang mit Aufständen in Tibet Ende der Fünfzigerjahre floh der Dalai Lama, das politische und geistliche Oberhaupt der Tibeter, im März 1959 nach Indien, wo er seitdem im Exil lebt. Die erfolgreichen Bestrebungen der erst russisch, dann sowjetisch dominierten Völker nach Unabhängigkeit seit Ende der Achtzigerjahre haben außerhalb Chinas dem Tibet-Problem erneut Aktualität verliehen. Die Regierung in Peking weist jedoch jede Diskussion dieser Frage als »Einmischung in innere Angelegenheiten« zurück.
Universal-Lexikon. 2012.